Wolfgang Strasser (geb. 1952): "Was wissen Sie über den Konflikt in Ostpakistan?"
Von Wolfgang Strasser
"Was wissen Sie über den Konflikt in Ostpakistan?"
Mit meiner ehrlichen Antwort auf diese Frage des Prüfungsausschusses
"Nichts !"
war mein erster Antrag zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom 05.01.1971 schon gescheitert.
In meinem Schreiben an das Kreiswehrersatzamt (was für ein Begriff !) hatte ich damals geschrieben: "Gemäß Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes und § 25 des Wehrpflichtgesetzes möchte ich den Wehrdienst verweigern."
Am 20.01.1971 erfolgte meine Musterung mit dem Ergebnis, dass ich tauglich sei für alle Waffen"gattungen" bis auf Panzer und U-Boote, da dafür zu "sperrig".
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde mir vorgeworfen, in meinem Innersten nicht voll von der Absicht, den Kriegsdienst zu verweigern, durchdrungen zu sein.
Allein die Tatsache, dass ich Abiturient war, ließ die Herren dieser Kommission zu dem Schluss kommen, dass ich "höhere geistige Fähigkeiten" hätte und mich absichtlich dumm stellen würde.
Im Prüfungsausschuss saßen drei Beamte, einer vom Landratsamt und zwei pensionierte Lehrer. Einer von diesen kannte wohl meinen Vater und er war sehr beruhigt, dass er von mir als Antwort auf seine diesbezügliche Frage hörte, dass auch mein Vater gegen meine Kriegsdienstverweigerung war.
Nach zwischenzeitlichem Eintritt in die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und gründlicher Vorbereitung kam es am 16.09.1971 zur Ladung vor die Prüfungskammer in Stuttgart zum 18.10.1971. Dieser Termin war pünktlich vor dem Einschreibetermin in mein 3. Semester des von mir inzwischen begonnenen Bauingenieurstudiums. Es gab zumindest damals die Regelung, dass man nicht mehr eingezogen wurde, wenn man mehr als ein Drittel seiner Ausbildung hinter sich hatte.
Die entscheidende Frage der Prüfungskammer war damals, wie ich mich als Feuerwehrkommandant verhalten würde, wenn ich durch Sprengung einer Mauer ein Altersheim vor dem Abbrennen schützen könnte. Vor dieser Entscheidung wüsste ich aber, dass dadurch 8 Feuerwehrleute ums Leben kommen würden.
Meine Antwort als angehender Ingenieur war, dass ich eben vor der Sprengung den Leuten sagen würde, sie sollen in sicheren Abstand von dieser Mauer gehen, wurde als böswillige Ignoranz nicht akzeptiert.
Meine nachfolgende Erläuterung, dass ich diese Frage sicher nicht nach den Wünschen einiger Prüfer so beantworten würde, dass ich im Falle eines Altersheimes sprengen lassen würde, im Falle eines Heimes für geistig Behinderte aber nicht, führte dann mit dazu, dass ich auch in der Revisionsverhandlung kurz vor der Ablehnung stand.
Warum ich dann letztlich doch mehrheitlich anerkannt wurde, ist mir nicht ganz klar. Ich vermute aber, dass meine konsequente Haltung mit der Ansage, dann halt mit dem damit verbundenen Aufwand und hohen Kosten für die braven Steuerzahler zum Verwaltungsgericht gehen zu müssen, dazu geführt hat.
Im nachgereichten Protokoll stand der schöne Satz: "In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes war die Prüfungskammer mehrheitlich der Ansicht, dass auch Erwägungen verstandesmäßiger Natur zur Anerkennung führen können. "
Nach meiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer hatte ich dann zunächst vor, eine bereits von mir angefragte Stelle in der Unfallklinik des Krankenhauses in Tübingen anzutreten. Zwischenzeitlich hatte ich die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) kennengelernt und habe dann bei dieser Organisation einen Freiwilligendienst absolviert. Dieser wurde nach 18-monatigem Abschluss vereinbarungsgemäß als Ersatzdienst akzeptiert.
Im Rückblick auf diese Zeit gibt es heute nach ziemlich genau 50 Jahren noch zu berichten, dass meine inzwischen längst volljährigen Söhne Jahrzehnte später ebenfalls den Kriegsdienst verweigert haben. Bei ihnen gab es das Verfahren nicht mehr, es reichte das Abschicken einer Postkarte zur Anerkennung. Beide haben ihren Zivildienst geleistet. Meine Tochter war damals in dieser Hinsicht als Frau noch nicht gleichberechtigt. Sie hat aus eigener Motivation ein freiwilliges soziales Jahr geleistet.
Nach meiner Information - es ist schwer, hier etwas Verlässliches im Internet zu finden - haben von den 7 Kindern unserer ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 5 anstelle des Wehrdienstes ein soziales Jahr abgeleistet, die restlichen 2 waren laut Musterung untauglich. Sarkastisch ausgedrückt: "Wie soll Deutschland so den nächsten Krieg gewinnen?" Dann doch schon lieber: "Frieden schaffen ohne Waffen !"
Womit ich mich heute als fast 70-Jähriger noch befasse und einen Rat an die jungen Leute hinterlassen will, ist die Frage, ob es richtig sei, sich im Sinne von Jesus Christi zu verhalten nach dem Motto: "Wenn dir einer auf die rechte Backe haut, dann strecke ihm auch die linke hin" oder alttestamentarisch: "Auge um Auge, Zahn um Zahn".
Für Letzteres habe ich den Begriff kreiert: "Militanter Pazifismus".
August 2021